Sinne und motorische Entwicklung


 

Die Sinne geben Information an das Gehirn.

Bei der altersgerechten Entwicklung der Grundmotorik spielen Sinne eine große Rolle. Sie geben Informationen an das Gehirn weiter, das diese Informationen verarbeitet und in entsprechende Bewegung umsetzt. Dabei ist wichtig, dass die Verarbeitung der Informationen erst gelernt werden muss. Es findet eine Beurteilung statt, die sich auf die Bewegung auswirkt.

 

In der Haut befindet sich der Tastsinn.

Der Tastsinn wird  in der Fachsprache Taktilsinn genannt. Er hat mit Berührung zu tun. Die Haut erlebt schon im Mutterleib eine konstante, warme Berührung. Durch die Haut nimmt das Kind die Umwelt wahr, fühlt und ertastet Gegenstände und Material. Die Haut ist das größte Sinnesorgan des Menschen.

 

Durch Berührung wird auch die geistige Entwicklung eines Kindes gefördert.

Der Tastsinn ist  ein grundlegender Sinn, der eine hohe Bedeutung hat für die geistige und körperliche Entwicklung des Kindes. Schon der enge und positive Körperkontakt eines Säuglings mit der Mutter trainiert diesen Sinn und wirkt sich positiv anregend aus. Wie wichtig allein dieser Sinn sein kann, wird deutlich, wenn man bedenkt, dass er bei Blinden oft viele Aufgaben der Augen übernehmen kann. Greifen und Halten von Gegenständen wird nur durch eine feine Abstimmung von Tastsinn, Tiefenwahrnehmung und Motorik möglich.

 

Sensoren in der Haut geben Informationen an das Gehirn weiter.

Die verschiedenen Aufgaben des Tastsinns sind das Empfinden von Druck und Druckänderungen, von Vibration und Spannung, von Kälte und Wärme und von Schmerz. Dafür gibt es in der Haut  verschiedene Sensoren. Sie geben ihre Informationen an das Gehirn weiter, das daraus Schlüsse für die Bewegung zieht. Will ein Säugling z. B. den Finger der Mutter festhalten, wird er den Griff verstärken, sobald er bemerkt, dass sich der Kontakt löst. Dazu ist der Tastsinn erforderlich, der über eine Veränderung des Drucks dem Gehirn das entsprechende Signal gibt.

 

 



Gleichgewichtssinn

 

Der vestibuläre Sinn, auch Gleichgewichtssinn genannt, sorgt für die Regulierung des Gleichgewichts. Hinter dem Ohr befindet sich ein kleines, bogenförmiges Gebildes, dass mit einer Flüssigkeit gefüllt ist. In den Bogengängen befinden sich mehrere tausend Sinneszellen mit feinen Härchen. Bewegt sich der Kopf, so bewegt sich auch die Flüssigkeit in den Bogengängen. Die feinen Härchen schwingen mit und geben ihre Informationen an die Sinneszellen weiter. Aufgabe des Gleichgewichtssinns ist es, Drehbewegungen von Kopf und Körper zu erfassen und zu verarbeiten.

 


Durch rotierende Bewegungen wird das Gleichgewicht trainiert. Deshalb ist es wichtig für Kinder zu Schaukeln, zu Rollen und den Kopf nach unten zu halten.

 

 



Tiefenwahrnehmung

Druck und Spannung in Muskeln und Glenken werden über den Kinästhesiesinn an das Gehirn übermittelt.

Die Tiefenwahrnehmung wird auch als Kinästhesiesinn, Körpergefühl oder Tiefensensibilität bezeichnet. Oft findet sich in medizinischen Büchern auch der Begriff propriozeptive Reizübermittlung oder Propriozeption. Alle diese Begriffe meinen dasselbe.

So wie beim Tastsinn nimmt der Kinästhesiesinn Druck und Spannung wahr, aber nicht an der Hautoberfläche, sondern weiter im Inneren unseres Körpers. Durch spezielle Rezeptoren werden Informationen über Muskelspannung, Muskellänge und Gelenkstellung bzw. Gelenkbewegung an das Gehirn weitergeleitet und verarbeitet. So erhalten wir über die Tiefenwahrnehmung Informationen über Anspannung und Entspannung unseres Körpers, wo und in welcher Lage sich bestimmte Körperteile befinden. Ohne die Tiefenwahrnehmung könnten wir nicht empfinden, ob wir unser Hand zu einer Faust geballt haben, oder ob die Finger gestreckt sind.

 

Eine Nervenzelle vom großen Zeh bis zum verlängerten Mark.

Eine Besonderheit der Tiefenwahrnehmung ist es, dass sie Informationsübermittlung vom Ort der Wahrnehmung, z. B. dem linken großen Zeh, direkt über eine einzige Nervenfaser bis hinauf ins verlängerte Mark geleitet wird. Da kommt eine Unmenge an Informationen gleichzeitig an. Aber welche sind nun wichtig?

 

Die Fähigkeit zur Konzentration wird mit Hilfe der Tiefensensibilität trainiert.

Bleiben wir bei dem obigen Beispiel. Ein Kind versucht, den Finger der Mutter festzuhalten. Die Tiefenwahrnehmung ermöglicht es dem Kind, genau wahrzunehmen, wie die Finger seiner Hand gekrümmt sind, um sich festzuhalten. Gleichzeitig werden über die Tiefenwahrnehmung aber auch alle anderen Informationen über den Zustand des Körpers weitergegeben: z. B. kann das Kind auf dem Rücken liegen, die Beine ausgestreckt halten oder auch strampeln, den Kopf anheben. Da aber im Moment das Ziel "Festhalten von Mutters Finger" ist, sind diese Informationen der Tiefenwahrnehmung nicht so wichtig. Das Kind muss lernen, diese Informationen zu ignorieren und nur die Informationen zu nutzen, die im Hinblick auf das Ziel notwendig sind. Das schult die Konzentrationsfähigkeit und das Körpergefühl.

 

Erwachsene müssen Körpergefühl oft neu lernen.

Viele Erwachsene haben die bewusste Wahrnehmung des Kinästhesiesinns so weit reduziert, dass sie kaum noch ein Körpergefühl besitzen. Unzweckmäßige Körperhaltungen und Anspannungen werden erst wahrgenommen, wenn sich Schmerzen  und andere Beschwerden bemerkbar machen. Dann ist es mit Hilfe von Autogenem Training und anderen Entspannungstechniken notwendig, das Körpergefühl erneut zu trainieren.

 

Für die Balance ist das Zusammenspiel von 4 Sinnen notwendig.

Weitere bedeutungsvolle Sinne sind Sehen, Hören, Riechen und Schmecken. Die Balance zu halten, ist kein "Sinn". Für diese Fertigkeit ist das Zusammenspiel von vier verschiedenen Sinnen notwendig, Gleichgewichtssinn, Tastsinn, Tiefenwahrnehmung und Sehen. Kinder brauchen die Möglichkeit, diese Sinne anzuregen und zu entwickeln. Nur so lernen sie, eine gute Balance zu halten.

 


Alle Sinne vermitteln augenblickliche Zustände. Nach der Verarbeitung werden die Informationen im Gedächtnis gespeichert. So findet ein Lernprozess statt, der zur Automatisierung von Bewegungsmustern führt.